Archiv des Autors: S. C. Orucoglu

Trauerfeier von Magdalena Rosinke am 12.09.2023 in Moers-Kapellen

 

Magdalena Rosinke, geb. Kramer: 23.02.1924 – 01.09.2023
 
 
 
Ich möchte heute ein paar Gedanken an Magdalena mit dir, liebe Gabi, und den hier anwesenden Angehörigen, Freunden  und Weggefährten teilen. Als besondere Weggefährten von Magdalena sind natürlich Manfreds Kinder Elke, Robert und Uwe zu nennen, die bei Gabis Eheschließung „mitgeheiratet“ wurden und dadurch insgesamt etwa 43 Jahre lang zu Magdalenas direktem familiären Umfeld gehörten.
 
Ich habe Magdalena vor Jahren, als sie mir das „Du“ anbot, gefragt, ob sie etwas dagegen hätte, wenn ich sie Magdalena nenne, obwohl ich wusste, dass sie einige Magda und später auch liebevoll „Magdi“ nannten, und erfuhr von ihr, dass sie es sogar sehr gerne hörte, wenn man ihren Namen komplett aussprach und nicht abkürzte.
 
Tja – dachte ich, als ich meine heutigen Grußworte vorbereitete – wie gut kennen wir einander eigentlich, selbst dann, wenn wir uns relvativ lange kennen,  und stellte fest, dass Magdalena ein Mensch war, den ich glaube, relativ gut, relativ lange, aber auf jeden Fall sehr gerne kennengelernt zu haben.
 
Wenn ich heute an Magdalena denke, dann fällt mir eine außergewöhnliche, warmherzige, humorvolle und nur an Statur kleine große Frau mit einem wachen Blick aus leuchtenden Augen ein. Magdalena konnte ihrem jeweiligen Gegenüber das Gefühl vermitteln, ganz in dem Moment und bei dem Menschen zu sein, mit dem sie gerade sprach und Zeit verbrachte.
 
Magdalena hat es verstanden, auf eine zeitlose Art zu altern. Zu altern, ohne das man im Alltag auch nur ansatzweise wahrnimmt, dass der andere an Jahren älter wird, weil er im Kopf und im Denken und auch in seinem Umgang mit Menschen und Situationen so beweglich und so jung bleibt. Am besten – das wird besonders Kate bestätigen können – nehmen das vermutlich Kinder wahr, die verwandte Seelen erkennen, und zwar nicht, weil der andere kindisch ist, sondern weil er im besten Sinne kindlich geblieben ist:
 
Neugierig auf das Leben und neugierig auf alles das, was das Leben in seiner ganzen Fülle bietet und gleichzeitig bereit zu sein, sich dem Risiko zu stellen, dass man auch schmerzhafte Erfahrungen nicht vermeiden kann.
 
 
Wir wachsen stetig in das Leben hinein, so wie man laufen lernen muss: durch Hinfallen und immer wieder aufstehen und wieder hinfallen und wieder aufstehen. Ein Lernprozess, der solange andauert, bis man eben nicht mehr fällt und eben nicht aus Bequemlichkeit einfach aufzugeben und trotzig festzustellen: „Ach, nee, ich glaube, laufen ist einfach nichts für mich!“
 
U. a. dies kennzeichnet einen Menschen, der jugendlich bleibt und Kinder – auch die bereits selbst in die Jahre gekommenen Kinder – erkennen ihres gleichen. Nämlich den Menschen, der in diese Nische „hineingrätscht“, der genau das kann und bedient, was Kinder ausmacht. Dem man nicht erklären muss, was Kinder brauchen. Und gerade deswegen war Magdalena auch ein Anziehungspunkt für die ganz jungen Menschen, eben für die Kinder, die sich ihr gleichfalls auch auf eine sehr unbefangene Art genähert haben – und vielleicht noch besser als wir erkannt haben, wie jung sie zeitlebens im Geiste und im Denken und im Handeln geblieben ist.
 
Magdalena gehörte zu den Menschen, mit denen man „herdenweise“ die sprichwörtlichen „Pferde hätte stehlen können“, wenn man gewusst hätte, was man in der Stadt und ohne entsprechende Stellplätze mit ihnen hätte anfangen sollen.
 
Ein Beispiel für ein Leben, das einem nicht nur oftmals die Angst vor dem Altern und dem, was damit manchmal an Einbußen verbunden ist, nehmen konnte, sondern auch ein Beispiel dafür lieferte, wie ungezwungen locker und fest zugleich Bindungen entstehen und immer weiter wachsen können, wenn Freiheit und Liebe dem anderen ganz selbstverständlich den Raum lassen.
 
Wir haben von außen immer sehen und spüren können, wie einzigartig und von gegenseitiger Liebe und Akzeptanz geprägt die Bindung zwischen dir, liebe Gabi, und deiner Mutter Magdalena war und wie wenig notwendig es ganz offensichtlich gewesen ist, sich lösen zu müssen, um eigenständig werden und bleiben zu können.
 
Die Freiheit und eine möglicherweise damit verbundene Form von Distanz vermisst vermutlich ja nur der, dem sie fehlt. Wer keine Enge empfindet, der muss sich auch nicht lösen.
 
 
Die englische Schriftstellerin Anne Morrow Lindbergh verfasste einmal den Satz:
 
„Dem, den ich liebe, wünsche ich Freiheit – auch von mir.“
 
 
Vielleicht gehört es zu den höchsten Graden der Freiheit, die man erleben kann, dass es Menschen gibt, die uns so lassen können, wie wir sind und denen wir uns nicht erklären müssen. Einfach sein dürfen und verstanden werden, kann uns im anderen eine innere Heimat finden lassen. Es schaffen vermutlich nicht allzu viele Menschen, uns das Gefühl zu geben, dass wir Zuhause sind oder irgendwie Nachhause kommen.
 
Und nun wünsche ich dem Menschen, von dem wir uns heute verabschieden, dass er nach Hause kommt, an seine ganz persönliche Quelle – und beschließe meinen heutigen Gruß an Magdalena mit dem folgenden irischen Segensspruch:
 
„Möge dein Weg dir freundlich entgegenkommen, möge der Wind dir den Rücken stärken. Möge die Sonne dein Gesicht erhellen und der Regen um dich her die Felder tränken. Und bis wir beide, du und ich, uns wiedersehen, bewahre Gott dich schützend in seiner hohlen Hand.“