Ich hörte gerade im Radio ein Lied, in dem der Interpret mehr als fünf Minuten lang in der Rückschau mit eigenem Handeln hadert, vieles bedauert und zu dem Schluss kommt, dass alles anders wäre, wenn er eben die Zeit zurückdrehen könnte. Ich halte das für eine Illusion und auch für zu leicht gemacht. Wir Menschen lernen aus Erfahrungen – und zwar überwiegend aus denen, die weh tun oder aber die, durch die unser Gewissen sich in uns rührt und die ansonsten leise auftretende innere Stimme so lautstark in uns gegen unser eigenes Verhalten oder unsere Worte protestiert, dass wir es nicht mehr schaffen, einfach so wegzuhören.
Ja, Entscheidungen oder Handlungen, die wir getan oder aber unterlassen haben, haben Tragweite und bestimmen unser weiteres Leben in der Gegenwart und damit auch in der Zukunft, aber: Wäre es uns wirklich möglich, die Zeit ganz einfach zurückzustellen, würden wir es uns wiederum viel zu leicht machen. Fehler, die wir machen, und Verletzungen, die wir begehen, würden nach ihrem Erkennen sofort durch die Korrektur der Uhrzeit bereinigt und wir könnten einfach so weitermachen wie bisher…
Der Lerneffekt wäre gleich null – wer denkt schon über Dinge nach, die sich abwenden ließen und daher keinen von uns sicht- oder fühlbar verursachten Schaden in uns oder anderen angerichtet haben?!
Nein! Wir brauchen unser Gewissen und unsere innere Stimme, um uns unsere Handlungen und Äußerungen nicht zu leicht zu machen. Unsere uns manchmal auch quälenden gefühlten Unzulänglichkeiten müssen durchlebt werden, um uns zu sensibilisieren für unsere Taten und Worte in der Gegenwart, die unsere Zukunft zwangsläufig beeinflussen.
Die Uhren zurückzustellen wäre zu einfach und könnte auch sehr leicht die Basis für Lieblosigkeit und Oberflächlichkeit in uns bilden, weil alles damit schnell und spurlos reparabel wäre.
Wer Mensch ist, macht Fehler. Wer sein Handeln kritisch überprüft und sich seinen Fehlern stellen will, erkennt es als eine persönliche Stärke, neue und oftmals auch schmerzliche Einsichten über sich gewinnen und Fehlverhalten zudem dann ggf. auch vorbehaltlos eingestehen zu können. Es ist der oft steinige und unbefestigte innere Weg zu neuen Erkenntnissen über uns, den wir beschreiten müssen, um eine Kurskorrektur unseres Verhaltens erst möglich machen und den Blick zurück aus der Zukunft heraus dadurch später einmal versöhnlicher gestalten zu können.
In der Schule des Lebens müssen wir manchmal eben auch „Fleißarbeiten“ machen, wenn die Versetzung ansonsten gefährdet wäre … 😉
Sermin Christina Orucoglu