Ich stelle es immer mehr fest: wir gehen mit unserer Sprache zu beliebig um – besonders wohl dann, wenn es uns hilft, Unangenehmes und mögliche Schwierigkeiten erst einmal auf Abstand zu halten.
Wie häufig fällt gedankenlos der Satz: „Das geht mich nichts an!“ – und wir sonnen uns im Gefühl der Toleranz. Sich nicht einmischen und sich aus den Angelegenheiten anderer herauszuhalten – ja: dies ist doch wohl gelebte Toleranz und lässt uns guten Gewissens wegschauen und hilft dabei, uns wieder unbeschwert anderen und vielleicht wichtigeren Dingen zuwenden.
„Es ist ja schließlich auch nicht meine Angelegenheit – da verbietet sich doch jede Einmischung von selbst…“
Aber: ist diese Form der Toleranz nicht eher Gleichgültigkeit, im Sinne des Ausspruchs: „Heiliger St. Florian, verschon mein Haus – zünd andere an?!“
Ich bin ganz ehrlich: ich möchte andere etwas angehen, wenn ich Unterstützung brauche. Ich wünsche mir, dass jemand, wenn er es verändern kann, sagt: „Nein! – das akzeptiere ich nicht.“ Ich denke zurück an die Zeit, als ich ein Kind war und die wichtigsten Grundregeln so leicht erschienen. Eine davon lautete: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!“
Wie leicht wäre unser gesellschaftliches Zusammenleben, wenn wir es doch ganz einfach schaffen würden, lebenslänglich auch – aller Bildung und allen Erfahrungen zum Trotze – immer noch recht erwachsene Kinder zu sein und zu bleiben. Die Beherzigung alleine dieses oben genannten Ausspruches aus der Kinderzeit ist doch einer der Grundpfeiler unserer Freiheit und die Basis wirklich gelebter Demokratie.
Denn gerade u. a. mit dem, was ich gegen einen anderen ungehindert zulasse, bestimme ich den Wert seiner und damit gleichzeitig auch meiner Freiheit. Wenn ich tatenlos zusehe, wie die Freiheit eines anderen bewusst eingeschränkt wird, spreche ich das Urteil darüber, wie man mit meiner Freiheit und mit meinen Rechten verfahren darf.
Wie oft sagen wir: „Das geht mich doch gar nichts an!“ – und meinen eigentlich: „Was kümmert es mich?“ – während wir uns dann vielleicht auch noch im Hochgefühl unserer toleranten Einstellung sonnen.
Wenn jemand ein Unrecht erleidet – von dem er nichts weiß, aber von dem ich Kenntnis habe und das ich von ihm abwenden könnte – dann muss er mich persönlich etwas angehen. Dann trifft und betrifft sein Unrecht genauso mich, auch wenn es scheinbar „nur“ gegen ihn gerichtet ist. Dann bin ich „sein Schuldner“ – gleichwohl er wiederum dadurch niemals in meiner Schuld steht. Das ist die höchste Form der Freiheit, die eben keine Bedingungen und Forderungen an einen anderen stellt, aber auch keine Abhängigkeiten duldet.
Wohl aber stehe ich dadurch sofort im Moment des Erkennens eines Unrechts in meiner Schuld, Das begründet sich alleine schon durch die Tatsache, dass ich dieses Unrecht überhaupt erkannt habe und dies ein Handeln nunmehr notwendig machen muss.
Die Verantwortung für mein „Tun und Lassen“ ist schließlich zwangsläufig immer ein Teil meiner Freiheit und zugleich auch ein Teil meiner Verpflichtung im Sinne meines „Menschseins“, da sie aus dem Erkennen des Unrechts und meines mir möglichen Beitrags zu dessen Verhinderung resultiert. Somit sind eben gerade mein Wissen, mein Denken und mein Handeln das, was durch die Prüfung meines eigenen Gewissens bewusst geleitet, in der Gesamtsumme überhaupt erst einen verantwortungsbewussten und damit wirklich freien Menschen aus mir macht.
Eine wichtige Lektion, wie ich glaube: Hinsehen lernen und bewusst entscheiden, was uns etwas angeht – und dann das vermutlich Angemessene in selbstgewählter Freiheit zu tun oder möglicherweise auch zu lassen. Ein eben immer wieder bewusst herbeigeführter Sieg der Toleranz über die Gleichgültigkeit!
S. C. O.