Zeit – Time – Zaman

 

Ich höre gerade ein Lied, während ich im Rahmen meiner Familienforschung ein weiteres Mal den Wurzeln meiner Familie und damit auch dem, was in mir weiterwirkt und werden will, auf den Grund gehe. Die Zeit löscht alles aus, heißt es in einer Liedzeile.

Wenn das so wäre, wie zynisch und willkürlich müsste mir heute in der Rückschau dann alles das erscheinen, was an gelebtem Leben und den persönlichen und tatsächlich mit ihrem Dasein verbundenen Dramen meiner Vorfahren, wie Flucht und Vertreibung, Migration und Emigration, Integration und Assimilierung in ihren mir bis heute überwiegend unbekannten Herkunftsländern und von ihnen bewohnten Landstrichen, wie z. B. Russland, der Ukraine, Tscherkessien, der Türkei, Ostpreußen und auch in meinem eigenen Lebensraum, Deutschland, aktuell gerade wieder in der heutigen Spurensuche meiner Ahnenforschung wie in einem Puzzle, das mit vielen noch fehlenden Teilen, aber in der Struktur schon als Bild teilweise recht gut bereits erkennbar, vor mir liegt?!

Die Zeit löscht tatsächlich gar nichts spurlos aus, denke ich, sondern sie verwischt in etwa so, wie ein Tintenkiller die Schrift des Füllers teilweise auf dem Papier unkenntlich machen kann und dennoch Wortfetzen, nun eben in bizarre Fragmente verwandelt, weiterhin unübersehbar zurücklässt.

Nichts, was war, löscht sich jemals wieder aus, sondern bildet im Gegenteil durch aktive Wandlung die Basis dafür, dass sich eben gerade durch die aus dem Erlebten der Vergangenheit gezogenen Erkenntnisse und das daraus resultierende bewusste Handeln erst die Grundbedingungen für ein selbstverantwortetes Hineinwachsen in das eigene Hier und Jetzt der Gegenwart gestalten können und ein Hadern mit dem, was möglicherweise schmerzlich durchlebt überhaupt zu diesem inneren Wachstum führte, einen Verrat an der Verantwortung für die Zukunft bedeuten muss, weil eben dieses Hadern die wissentliche Ableugnung des für sich als Wahrheit erkannten Zusammenhangs von Ursache und Wirkung bedeuten würde.