Ich las gerade einen Beitrag auf Instagram, der sich damit auseinandersetzte, ob es nicht wünschenswert wäre, als Erwachsener auch immer noch Kind zu bleiben.
Ich finde, dass diese Frage doch gerade aktuell in die Zeit passt, da wir uns heute in der christlichen Welt an die Geburt eines Kindes erinnern, das einige Jahre später der Überlieferung nach gesagt haben soll: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder…“
Ist es denn nicht tatsächlich sinnvoller, zu bleiben wie ein Kind, aller Erziehung zum sogenannten Ernst des Lebens zum Trotze? Kinder „erfühlen“ den Unterschied zwischen „gut und böse“; „richtig oder falsch“ oft intuitiv für sich sehr sicher, ohne unbedingt wissen zu müssen, warum genau dies so ist, während wir Erwachsene oft wissen, dass unsere Handlungen nicht unbedingt dem entsprechen, was wir für integer und angemessen halten, uns aber dennoch trotzdem oft aus Gründen der „Zweckmäßigkeit“ entscheiden – unseren Vorbehalten zum Trotz – den vermeintlich leichteren Weg zu gehen.
Wie oft begegnen wir dann – gerade durch das sich dann häufig einstellende schlechte Gewissen – vielleicht das eine oder andere Mal im Rahmen einer unserer vielen inneren Zeitreisen, die wir gemeinhin als Erinnerungen bezeichnen, unserem inneren Kind, das in den Welten unserer eigenen Vergangenheit ja immer noch präsent ist und uns mit Kopfschütteln bei dem betrachtet, was wir als Kind auf dem Weg zum Erwachsensein gelernt haben und dennoch oftmals nach Belieben ausblenden, wenn es unangenehm sein kann?
Ist das nicht eine interessante Frage, ob wir und das was aus uns geworden ist, wohl unserem inneren Kind, das ja nur etwas in die Jahre gekommen ist, gefallen würde?
Ich habe es irgendwann in einem Blogeintrag auf meiner Homepage mal so formuliert: „Von Zeit zu Zeit sehe ich dem Kind, das ich war, offen ins Gesicht und frage es mit einem Schmunzeln, ob ihm gefällt, was aus uns geworden ist…“
Ich lebe in Begleitung meiner Vergangenheit und in der Aktualität meiner Gegenwart auf eine Zukunft hin, in der ich mir und meinem in meiner Vergangenheit noch immer weiterlebenden inneren Kind gegenüber für den verantwortungsbewussten Umgang mit dessen bzw. unseren Träumen, Wünschen, Haltungen, Überzeugungen und Werten verantwortlich bin.
Ich stamme aus meiner Kindheit, wie aus einem Land, hat Antoine de Saint-Exupéry einmal gesagt. Und wenn ich mir diesen Startpunkt bewusst mache, in dem meine Lebensreise als Kind beginnt, so hat mir dieses Kind, dass ich einst war und solange ich mich erinnere auch untrennbar von meinem wachsenden Alter auch immer tief in mir bleibe, aufgetragen, unseren Grundbesitz, den wir mit der Geburt erhalten haben, möglichst unbeschadet durch die Zeiten zu tragen, nämlich: unsere Würde und unsere Integrität – und dabei möglichst wenig Schaden an dem Grundbesitz der anderen Mitmenschen anzurichten, gerade in Bezug auf die Wahrung von deren Würde und Integrität.
Mein inneres Kind richtet zeitlebens nur eine Erwartungshaltung an mich, die ich es stellvertretend in allen Lebensphasen bewahre und durch die Zeiten trage:
Zu lernen, möglichst respektvoll und achtsam mit mir und anderen umzugehen – mögen Konflikte und Sachlagen auch sein, wie sie wollen. Und mein Wunsch wäre – wenn ich ihn heute am Weihnachtstag äußern würde – dass ich nicht allzu häufig beschämt den Blick vor dem verständnislosen Kopfschütteln des in die Jahre gekommenen inneren Kindes werde senken müssen…
Sermin Christina Orucoglu